Die österreichische Bahnindustrie gehört zu den größten der Welt – nicht zuletzt dank hoher Innovationskraft, wie neuartige Wartungsfahrzeuge mit Hybridantrieb beweisen.
15.000 Menschen: Das entspricht ungefähr der Einwohner:innenzahl der burgenländischen Landeshauptstadt Eisenstadt, einem ausverkauften Stadion bei einem Heimspiel von Sturm Graz oder jener Menge Menschen, die pro Ampelphase über die weltbekannte Shibuya Kreuzung in Japans Hauptstadt Tokio gehen.
Oder der Zahl der direkt in der heimischen Bahnindustrie beschäftigten Mitarbeiter:innen. In diesem Fall kommen indirekt noch rund 13.000 dazu, die hauptsächlich im Metall- und Dienstleistungsbereich beschäftigt sind. Damit hängen insgesamt knapp 28.000 Jobs mit der Bahnindustrie zusammen.
Bahnindustrie erwirtschaftet 1,67 Milliarden Euro
Nicht wenig. Aber imposanter ist die von ihnen generierte Wirtschaftsleistung. Denn Österreich ist nach Exporten bei der Bahnindustrie das weltweit viertgrößte Ausfuhrland. „Das gilt nicht pro Kopf, sondern in absoluten Zahlen“, betont Hannes Boyer, Präsident des Verbands der Bahnindustrie, der rund 40 Unternehmen umfasst.
In Absolutzahlen liegt die Alpenrepublik mit einer Bruttowertschöpfung von 1,67 Milliarden Euro nur hinter Deutschland (3,12 Mrd. Euro), China (2,25 Mrd.) und den USA (1,84 Mrd.). Der rot-weiß-rote Anteil am gesamten Welthandel der Bahnindustrie liegt demnach bei 7,9 Prozent. Als tragende Säule dieser Spitzenposition gilt die hohe Innovationskraft des Sektors: Mit 25,7 Prozent ist die Forschungsquote rund achtmal so hoch wie die allgemeine F&E-Quote Österreichs.
Wartungsfahrzeuge mit Hybridantrieb
Der Bahnbaumaschinenhersteller Plasser & Theurer gilt diesbezüglich als eine der treibenden Kräfte und Impulsgeber. 2015 hat der Weltmarktführer für Gleisbaumaschinen beispielsweise ein neues Kapitel der Antriebstechnik im Gleisbau aufgeschlagen: Als erster Hersteller wurde ein Gerät mit Hybrid-Antriebstechnik auf Schiene gebracht.
Erst kürzlich hat man von den ÖBB den bisher größten Einzelauftrag in der 70-jährigen Unternehmensgeschichte bekommen. 56 dieser emissionsfreien Hochleistungsinstandhaltungsfahrzeuge um fast 250 Millionen Euro sollen in den kommenden fünf Jahren ausgeliefert werden.
Die neuen Fahrzeuge sollen für Arbeiten auf dem Fahrweg, für die Oberleitung, Instandsetzung und Montage sowie im Winterdienst und in der Brückeninspektion eingesetzt werden. Dabei kommt ein komplett neu entwickelter modularer Aufbau zum Einsatz, der – basierend auf einem einheitlichen Trägerfahrzeug – je nach Aufgabe in drei Varianten ausgeführt wird. Die ÖBB ersetzen mit den elektro-hybridbetriebenen Maschinen ihre seit rund 40 Jahren genutzte, dieselbetriebene Wartungsflotte. Sie kam damals ebenfalls von Plasser & Theurer.
Küchenzeile mit an Bord
Die neuen, bis zu 120 km/h schnellen Fahrzeuge haben einen Hybridantrieb gespeist aus Oberleitungsstrom und Batterie. Als Backup ist ein Dieselaggregat eingebaut. Die Maschinen sollen über ganz Österreich verteilt stationiert werden, um Strecken auch nach einem Störfall rasch wieder freigeben zu können. Zur Ausrüstung gehören Kräne und Hebebühnen. Außerdem ist eine Werkstatt sowie eine Kabine mit Küchenzeile und Sanitärbereich zur komfortablen Unterbringung für elfköpfige Besatzung auch für die Überstellfahrt vorhanden.
Der Bedarf an solchen Wartungsmaschinen wächst nicht zuletzt aufgrund des Ausbaus des Bahnnetzes. Denn ob Schienen schleifen oder den Gleiskörper erneuern: Der sichere Eisenbahnbetrieb erfordert regelmäßige Instandhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen der Schieneninfrastruktur. Die dafür notwendigen riesigen Spezialbaumaschinen, die eine Länge von mehreren Hundert Metern erreichen können, benötigen bis zu 1.000 Liter Diesel pro zu bearbeitendem Gleiskilometer.
Wasserstoffantrieb ante portas
Laut Berechnungen des Instituts für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft der Technischen Universität Graz werden so durch die Gleisinstandhaltungsarbeiten der ÖBB jährlich 9.600 Tonnen CO2-Äquivalente produziert. Eine Umstellung auf alternative fossilfreie Antriebssysteme würde demnach die schädlichen Emissionen reduzieren und dabei helfen, die Klimaziele zu erreichen.
Für Gleisbaumaschinen mit Energiebedarf bis 800 Kilowattstunden (kWh) gelten Hybrid-Batterielösungen wie jene von Plasser & Theurer als optimal. Für Maschinen über 800 kWh präferieren Experten einen Antrieb per Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technologie. Bestehende Geräte könnten demnach überbrückend auf Bio- oder synthetische Kraftstoffe sowie mittelfristig auch auf Flüssigwasserstoff in Kombination mit einem Verbrennungskraftmotor zurückgreifen, heißt es von Seiten der TU Graz.
GUT ZU WISSEN
- Plasser & Theurer mit Hauptsitz in Wien ist Weltmarktführer für Gleisbaumaschinen.
- Das Stammwerk befindet sich in Linz.
- Weltweit beschäftigt das Unternehmen über 2000 Mitarbeiter:innen.
- Seit 1953 lieferte das Unternehmen rund 17.000 Maschinen in 110 Länder. Mehr als die Hälfte davon ist noch im Einsatz.