Nudeln

Notstand bei Nudeln: Weizenpreis crasht die Pasta-Party

Ernteausfälle haben den Preis für Hartweizen auf dem Weltmarkt in schwindelerregende Höhen getrieben. Engpässe bei Nudeln & Co. drohen. Österreichische Teigwarenproduzenten sind aber nicht betroffen. Warum?

Lang, kurz, eckig, rund, zu Schmetterlingen („Farfalle“) oder kleinen Öhrchen („Orecchiette“) geformt: Nudeln haben es auch in der Schnitzel- und Schweinsbratenrepublik Österreich in den Rang eines Grundnahrungsmittels geschafft. Aber es droht Ungemach. Nach Hamsterkäufen als Lockdown-Reaktion ist jetzt der Rohstoffmarkt in Turbulenzen geraten. Alla fine statt al dente?

Der Marktbericht der AMA von Mitte Oktober spricht eine deutliche Sprache. „Der Weizenpreis setzt seinen Aufwärtstrend fort“, heißt es dort. Das klingt harmloser, als es ist. Denn die Anstiege sind teils enorm. So kletterte der Preis für Qualitätsweizen binnen eines Monats um 40 Euro pro Tonne auf 297 Euro; Mahlweizen verteuerte sich um 30 Euro auf 270 Euro pro Tonne. Noch dramatischer ist die Entwicklung bei Hartweizen, der wichtigsten Zutat von Teigwaren wie Nudeln. Im Schnitt liegen die Preise am Weltmarkt derzeit bei rund 500 Euro pro Tonne – und damit mehr als doppelt so hoch wie vor einem Jahr und fast dreimal so hoch wie zu normalen Zeiten. Und sie steigen weiter.

Missernte in Übersee

Die Gründe liegen am Acker. In wichtigen europäischen Anbaugebieten in Spanien und Frankreich, vor allem aber in Übersee gab es Ernteausfälle. Besonders betroffen ist Kanada, der weltgrößte Exporteur von Hartweizen. Normalerweise gehen 90 Prozent der kanadischen Ernte in den Export. Aufgrund von Hitze und Dürre schrumpfte die verfügbare Menge aber um 46 Prozent auf 3,5 Millionen Tonnen. Weltweit fiel die Ernte auf ein 20-Jahres-Tief.

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Pro Jahr kauft ein österreichischer Haushalt durchschnittlich elf Kilo Teigwaren.Foto: adobe stock | Grafvision

„Die Situation auf dem Weltmarkt ist aktuell sehr angespannt und aufgrund der Missernte in Kanada unüberschaubar“, bestätigt Martin Terzer, Geschäftsführer von Recheis, Österreichs größtem Teigwarenerzeuger. Man stehe daher täglich in Kontakt mit Geschäftspartnern und beobachte die weiteren Entwicklungen der weltweiten Ernteergebnisse.

 Lieferengpässe ab Jahreswechsel

Betroffen sind vor allem namhafte italienische Nudelproduzenten. Trotz guter einheimischer Ernte sind sie auf Importe angewiesen. So gilt Barilla als weltweit größter Einkäufer von Hartweizen. Und muss jetzt tiefer in die Kasse greifen, denn bei der Produktion von Teigwaren ist der Rohstoffeinkauf der wichtigste Posten in der Kalkulation. Je nach Produkt und Herstellungsweise sollen es bis zu 70 Prozent sein. 

Das hat Folgen, die bis in die Supermarktregale und auf den Restauranttellern zu spüren sind. Steigt der Einkaufspreis, schlägt sich das beim Verkaufspreis nieder. Zweistellige Teuerungsraten stehen im Raum. Auch vor Lieferengpässen Richtung Handel ab Jahresbeginn 2022 warnen internationale Teigwarenhersteller.

Hartweizen aus Österreich

Und in Österreich? Recheis-Geschäftsführer Terzer beruhigt: „Wir haben aktuell stabile und sichere Lieferverfügbarkeiten, mit einem länger andauernden Engpass rechnen wir nicht.“ Terzer verweist auf „gute partnerschaftliche Beziehungen zu unseren Lieferanten“ und den Fokus auf Österreich im Rohstoffbereich. Der Hartweizen kommt von mehr als 300 LandwirtInnen aus dem niederösterreichischen Weinviertel. Insgesamt verarbeitet Recheis rund 13.000 Tonnen heimischen Hartweizen pro Jahr. Auch bei Wolf Nudeln in Güssing stammt der Hartweizen zum überwiegenden Anteil aus Ostösterreich.

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Martin Terzer, CEO von Recheis: „Wir haben aktuell stabile und sichere Lieferverfügbarkeiten.“ Foto: Recheis

Im März vergangenen Jahres hatte der burgenländische Nudelhersteller mit einem wahren Corona-Hype zu kämpfen. Plötzlich gingen Aufträge für 400 Tonnen Teigwaren pro Woche ein. Normalerweise sind es 120 bis 130 Tonnen. Es war die Folge von Hamsterkäufen der KonsumentInnen, die sich für den ersten Lockdown rüsten wollten.

358 Prozent mehr Nachfrage

Bei Wolf sorgte das für Sonderschichten und Überstunden, am Rohstoffmarkt für eine exorbitante Nachfragesteigerung nach Hartweizen von plus 358 Prozent. Als Folge wurde die Anbaufläche in Österreich um knapp 3.000 auf rund 19.000 Hektar ausgeweitet. Jetzt liegt sie nach jahrelangem Schrumpfen wieder auf dem Niveau von 2015.

Gereicht hat es nicht, um die heimische Nachfrage zu stillen. So stiegen in den ersten zehn Monaten des Jahres 2020 im Vergleich zu 2019 die Importe von Teigwaren aus Italien nach Österreich um 14,8 Prozent. Handelsvolumen: beachtliche 42,3 Millionen Euro.

Totalausfall in der Gastronomie

Nach ersten Panikkäufen der KonsumentInnen beruhigte sich der heimische Nudelmarkt jedoch recht schnell. Der kurzfristig sprunghafte Anstieg der Menge verkaufter Teigwaren im Lebensmitteleinzelhandel wurde nämlich abgeschwächt durch den Totalausfall in der Gastronomie. „Bereits 2020 haben sich diese Umsatzspitzen abgeflacht, 2021 hat sich der Teigwarenmarkt wieder geglättet“, bilanziert Recheis-Geschäftsführer Martin Terzer.

Was in Österreich der Markt regelt, wurde anderswo zur Staatsdoktrin. Höhere Nudelpreise seien vor dem Hintergrund steigender Arbeitslosigkeit und sinkender Einkommen inakzeptabel, hatte Russlands Präsident Vladimir Putin vor Ende letzten Jahres die Inflation bei Lebensmitteln scharf kritisiert. Als Reaktion will Russland jetzt seine Produktion von Hartweizen kräftig ausweiten. Die Erntemengen sollen bis 2025 auf 1,8 Millionen Tonnen mehr als verdoppelt werden.

GUT ZU WISSEN

  • Laut GfK kauft der durchschnittliche österreichische Haushalt im Jahr elf Kilo Teigwaren ein. Die Hälfte dieser Menge wird importiert.
  • Recheis ist mit einem Marktanteil von 32 Prozent Marktführer bei Teigwaren in Österreich.
  • Die gesamte Recheis Gruppe beschäftigt derzeit fast 200 Mitarbeitende an mehreren Standorten in Tirol, Vorarlberg und Niederösterreich.
  • Seit April 2018 arbeitet Recheis vollkommen CO2-neutral. Die Teigwarenprodukte sowie das gesamte Unternehmen sind klimaneutral.
Credits Artikelbild: adbe stock | valentinamaslova

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