Klärschlamm EVN

Klärschlamm statt Kohle

Am Areal des ehemaligen Kohlekraftwerks Dürnrohr (Bezirk Tulln) wird von der EVN künftig Industrieklärschlamm getrocknet und verbrannt, um Energie zu erzeugen.

Und plötzlich war da ein altes Klavier. Mitten in den Müllbergen fanden Mitarbeiter der Abfallverwertungsanlage in Dürnrohr im vergangenen Dezember ein ausrangiertes und entsorgtes Tasteninstrument. Ein eher unübliches Stück in den 500.000 Tonnen Sperr- und Hausrestmüll sowie Gewerbe- und Industrieabfällen, die hier jährlich thermisch verwertet werden.

Klärschlamm statt Klavier heißt es dagegen ab kommendem Frühjahr. Ab dann soll auf dem weitläufigen Areal des niederösterreichischen Energieversorgers EVN neben der bestehenden Müllverbrennungsanlage auch eine hochmoderne Klärschlammverbrennungsanlage in Betrieb gehen. Dafür wird die seit 2008 existierende Versuchsanlage für die Entgasung von Biomasse umgerüstet.

Klärschlamm für die Fernwärme

Die neue Anlage soll jährlich 20.000 Tonnen Nassklärschlamm aus der Industrie trocknen und mit den dadurch gewonnen 8.300 Tonnen Ersatzbrennstoff Energie erzeugen. Dieser Brennstoff lässt sich einerseits wiederum für die Schlammtrocknung nutzen. Er kann aber ebenso für die Fernwärme eingesetzt werden oder per Wasserdampf und Turbinenantrieb elektrische Energie liefern. Im Falle von Dürnrohr dient der Dampf für die Versorgung des nahen Lebensmittelkonzerns Agrana.

Jedenfalls steht diese Art der Energiegewinnung für eine umweltschonende Kreislaufwirtschaft. Denn bisher wurde der Klärschlamm unter anderem auf den Feldern ausgebracht, deponiert oder zu einem kleinen Teil in der Müllverbrennungsanlage entsorgt. Bei dieser Ausbringung auf Feldern können aber Schadstoffe, wie Medikamentenrückstände oder Hormone, ins Grundwasser gelangen. Im Zuge einer Verbrennung des Klärschlamms werden diese dagegen herausgefiltert.

Kohle-Aus nach 33 Jahren

Der Standort im Bezirk Tulln ist Veränderungen gewöhnt. Das ehemalige Kohlekraftwerk Dürnrohr war seit 1986 ein Eckpfeiler der Versorgungssicherheit Ostösterreichs. Zu Spitzenzeiten war an diesem Standort Steinkohle für bis zu einem Jahr Produktion gelagert. Bei Volllast produzierte Dürnrohr Strom für rund 1,7 Millionen Haushalte.

33 Jahre später kam das Ende – schneller als gedacht. Denn noch Anfang Mai 2019 kündigte die EVN an, die laufende Stromerzeugung mit Kohle bis spätestens 2025 zu beenden. Das wäre zehn bis fünfzehn Jahre vor dem Ablauf der technischen Lebensdauer des Kraftwerks gewesen. Ende Mai wurde das Ende dann auf den Herbst 2019 vorverlegt. 

Photovoltaikanlage statt Kohlehalde

Ein Jahr später, im August 2020, wurde Pläne vorgelegt, wonach auf den 30 Hektar der ehemaligen Kohlehalde, die großteils versiegelt und daher landwirtschaftlich nicht nutzbar seien, künftig eine Photovoltaikanlage entstehen werde. Und für das Areal des stillgelegten Kohlekraftwerks sah man eine Klärschlammverbrennungsanlage vor. 

Der technisch ausgereiften Behandlung des Klärschlamms kommt eine immer wichtigere Bedeutung zu. Die EVN bezieht ihr Know-how unter anderem aus dem Bau kleinerer Anlagen wie in Utena (Litauen), mittlerer wie in Halle (Sachsen-Anhalt) und großer Anlagen wie in Tubli (Bahrain).

GUT ZU WISSEN

  • Die EVN wurde im Jahr 1922 als Niederösterreichische Elektrizitätswirtschafts-Aktiengesellschaft NEWAG gegründet.
  • Das Konzernergebnis wuchs im letzten Geschäftsjahr um 63 Prozent auf 325 Millionen Euro, für das laufende Geschäftsjahr peilt man 200 bis 240 Millionen Euro an.
  • Die Verwerfungen auf den internationalen Energiemärkten haben die Beschaffungskosten der EVN deutlich nach oben getrieben und auch auf das operative Ergebnis gedrückt.
  • Der Aufwand für Fremdstrombezug und Energieträger stieg in den ersten drei Quartalen des laufenden Geschäftsjahres 2021/22 um 1 Milliarde auf 1,7 Milliarde Euro, nach 776 Millionen Euro im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
Credits Artikelbild: adobe stock | werner

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