Stromnetz

Stromnetz: Störfälle kosten pro Monat zehn Millionen Euro

Notfallmaßnahmen in einem zu schwachen Stromnetz kosten heimische KundInnen zehn Millionen Euro pro Monat. Netzbetreiber drängen daher auf einen raschen Leitungsausbau.

Samstag, 24. Juli, 16:35 Uhr: Spanien und Portugal entgehen nach einem Stromausfall knapp einem Blackout. Schuld war ein Löschflugzeug. Bei einem Waldbrand-Einsatz in Südfrankreich hatte es eine Hochspannungsleitung beschädigt. Eine Stromleitung von Frankreich nach Spanien wurde daraufhin vorsorglich unterbrochen. Es kam zu einem Lastabfall im Stromnetz. Über eine Million Menschen auf der iberischen Halbinsel blieben 36 Minuten ohne Strom.

Freitag, 8. Jänner, 14.05 Uhr: Ganz Europa versinkt fast im Dunkeln. Nahe von Osijek in Kroatien kommt es in einem Umspannwerk zu einer Überlastung. Plötzlich ist zu wenig Strom im europäischen Stromnetz. Die Frequenz sackt von 50 Hertz auf etwas mehr als 49,7 Hertz ab. Was nach einem minimalen Unterschied klingt, kann weitreichende Konsequenzen haben. Denn auch so kann ein Blackout beginnen. Erst nach einer Stunde ist der Schaden behoben; das europäische Netz, das in einen südöstlichen und zentral-westeuropäischen Teil aufgesplittet ist, ist wieder synchronisiert.

Stromnetze: 260 Störfälle pro Jahr

Zwei schwerwiegende Vorfälle binnen eines halben Jahres sorgen in den Zentralen der europäischen Netzbetreiber für Alarmstimmung. In Österreich verstärken sie die Rufe nach einem eiligen Netzausbau. Zwar hatte es in beiden Fällen keine direkten Auswirkungen auf die heimische Stromversorgung gegeben, Störfälle kommen aber immer wieder auch zwischen Boden- und Neusiedlersee vor. Und das öfter, als man glauben möchte.

Die entsprechende Statistik der Austrian Power Grid (APG), die das österreichische Hochspannungsnetz betreibt, weist allein für das Jahr 2020 260 Störfälle aus, bei denen aktiv reagiert werden musste. Bei der APG begründen ExpertInnen die Anfälligkeit mit dem verzögerten Netzausbau. Die daraus folgenden Kapazitätsengpässe haben ihren Preis. Die sogenannten Redispatchmaßnahmen (Notfallmaßnahmen) kosten die österreichischen StromkundInnen pro Monat etwa zehn Millionen Euro, rechnet APG-Unternehmenssprecher Christoph Schuh vor.

Corona-Maßnahmen und Hitze lassen Stromverbrauch steigen

Der heurige Juni war sehr heiß; vor allem in der zweiten Monatshälfte gab es die erste Hitzewelle des Jahres, wodurch vermehrt Klimaanlagen eingeschaltet wurden. Zusätzlich kam es im Juni zu weiteren beziehungsweise längeren Öffnungen in der Gastronomie sowie den Nachtlokalen. Das sorgte für einen Anstieg des österreichischen Stromverbrauchs. Ende Juni befand sich die Stromlast mit 1.194 Gigawattstunden (GWh) um vier Prozent über dem durchschnittlichen Vergleichsniveau.

Denn die Stromversorgung folgt einem wesentlichen Grundprinzip: In jeder Sekunde muss exakt so viel Strom erzeugt werden, wie gerade verbraucht wird. Gerät dieses Gleichgewicht außer Kontrolle, kippt das System und die Stromversorgung bricht zusammen.

3,5 Milliarden Euro werden investiert

Dabei sind die Maßnahmen zur Stabilisierung der Stromnetze in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Während die Kosten 2017 bei 46,6 Millionen Euro pro Jahr lagen, stiegen sie 2020 auf 134 Millionen Euro. 2021 investiert die APG insgesamt 357 Millionen Euro in den Netzum- und ausbau. Und der Planungskalender ist voll. Allein in den kommenden zehn Jahren (2022–2031) wird die APG Projekte im Wert von 3,5 Milliarden Euro umsetzen.

APG_Steuerzentrale
APG-Steuerzentrale: Bis zu 260 Störfälle pro Jahr verzeichnet der heimische Stromnetzbetreiber. Foto: APG

Bei der APG scheint man mit der Geduld am Ende. „Die Zeit der akademischen Diskussionen muss vorbei sein“, urgiert Schuh. „Sichere Stromversorgung, Verfügbarkeit von preisgünstigem Strom, Elektrifizierung der Industrie beziehungsweise Mobilität und die Energiewende brauchen eine ausgebaute und leistungsstarke Netzinfrastruktur.“

Simulationstrainings für den Krisenfall

Die Gefahren für die Versorgungsinfrastruktur werden durch die jüngsten Naturkatastrophen/Unwetter jedenfalls nicht kleiner. Flüsse treten über ihre Ufer, Muren zerstören ganze Landstriche, um Kraftwerke wüten Flächenbrände. Ist man darauf als Netzbetreiber ausreichend vorbereitet? Man habe sehr gut durchdachte, bewährte nationale und internationale Betriebsführungs- und Schutzkonzepte, beruhigt Schuh.

Brand Stromleitung
Naturkatastrophen sorgen immer wieder für lokale Stromausfälle.Foto: adobe stock | DBA

Dazu kommen gemeinsame Simulationstrainings sowie regelmäßige Krisenübungen mit allen relevanten AkteurInnen des Energiesystems, damit nicht jedes singuläre Ereignis sofort zur Blackout-Gefahr wird. Meist bleibt es bei Naturereignissen aber bei regionalen beziehungsweise lokalen Stromausfällen. Da gilt es dann schnell und rasch die auftretenden Schäden, wie zum Beispiel an Masten oder der Infrastruktur, zu beheben. Davon betroffen sind allerdings zumeist nur die lokalen und regionalen Verteilernetze.

GUT ZU WISSEN

  • Die Austrian Power Grid (APG) steuert das überregionale Stromtransportnetz in Österreich. Sie hat den gesellschaftlichen Auftrag, für die sichere Stromversorgung für alle ÖsterreicherInnen zu sorgen.
  • Die APG betreibt ein Netz mit knapp 7.000 Kilometer Stromleitungen, davon 1.583 Kilometer 380kV-Leitungen, 3.203 Kilometer 220kV-Leitungen und der Rest 110kV-Leitungen.
  • Die Leitungen laufen über rund 12.000 Masten.
  • Mehr als 600 SpezialistInnen arbeiten in der APG daran, die Balance zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch zu halten.
Credits Artikelbild: APG

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