Shanghai

China und die EU: Was bringt das neue Abkommen?

Die EU und China haben ein Investitionsabkommen beschlossen. Aber wird mit diesen neuen Spielregeln für die Wirtschaftsbeziehungen tatsächlich alles besser? Welche Hürden und Gefahren lauern?

Gut Ding braucht Weile. Das gilt auch für geregelte Wirtschaftsbeziehungen. So haben die EU und China satte sieben Jahre und 36 offizielle Verhandlungsrunden lang um ein Investitionsabkommen gerungen. Zum Jahreswechsel gab es schließlich eine politische Einigung für ein Comprehensive Agreement on Investment (CAI). 

Das Abkommen wird – je nach Standpunkt – als „großer Fortschritt“ (Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel), „schwach“ (der damalige US-Außenminister Mike Pompeo), „Zeugnis für Chinas Entschlossenheit zu einer weiteren Öffnung“ (Chinas Staatschef Xi Jinping), „Meilenstein und Türöffner in einen Zukunftsmarkt“ (Österreichs Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck) oder „eigentlich normale Praxis zwischen zwei großen Wirtschaftsmächten“ (EU-Handelskammerpräsident Jörg Wuttke) beschrieben.

China: Abkommen mit einem Wachstumsmotor

Wie jetzt? Was darf man sich von dem Abkommen erwarten? Welche Hoffnungen sind berechtigt? Wann wird es tatsächlich Wirkkraft erzeugen? Und wo warten noch Hürden? Wir haben Michael Löwy, Experte für Internationale Beziehungen, um eine Einschätzung gebeten.

Michale Löwy
Michael Löwy ist Experte für Internationale Beziehungen zum Abkommen: „Wenn es die EU ehrlich meint, dann reichen Appelle an die Moral nicht. Dann braucht es echte Anreize für China.“Foto: IV

Die Rahmenbedingungen sind eindeutig: China ist – auch in Corona-Zeiten – der Wachstumstreiber der Weltwirtschaft. Seit 1980 ist der Anteil Chinas am weltweiten BIP von zwei auf 20 Prozent gestiegen. Der weitere Weg ist vorgezeichnet. Als Folge des rasanten Wirtschaftswachstums steigt auch der Wohlstand. Das britische Centre for Economics and Business Research (CEBR) geht davon aus, dass das Reich der Mitte die USA bereits 2028 als größte Volkswirtschaft der Welt ablösen wird.

GUT ZU WISSEN

  • China ist – nach den USA – der wichtigste Handelspartner der EU.
  • Im vergangenen Jahr wurden täglich Waren im Wert von durchschnittlich 1,5 Milliarden Euro zwischen beiden Seiten gehandelt.
  • China hat in den letzten zehn Jahren mehr als 350 europäische Unternehmen erworben.
  • Die gesamten chinesischen Investitionen in Europa betrugen 348 Milliarden US-Dollar.
  • Auch die Verflechtungen der österreichischen Wirtschaft sind dicht: 650 heimische Unternehmen betreiben Niederlassungen in China, davon rund 250 mit Produktionsstätten.
  • Mit einem bilateralen Handelsvolumen von rund 14,28 Milliarden Euro (2019) ist China mit Abstand wichtigster Wirtschaftspartner Österreichs in Asien.
  • Die Direktinvestitionen österreichischer Unternehmen in China beliefen sich laut Nationalbank im Jahr 2019 auf fast 3,6 Milliarden Euro.

Bringt das Abkommen mit China fairen Wettbewerb? 

Für Michael Löwy ist daher klar: „Der kometenhafte Aufstieg Chinas birgt enorme Chancen für die europäische und österreichische Wirtschaft.“ Er sieht aber auch „gewaltige Herausforderungen“. Denn die internationalen Wettbewerbsregeln würden die neue wirtschaftliche Weltordnung nicht widerspiegeln: „Zu wenig berücksichtigt wird die massiv veränderte ökonomische Bedeutung und Rolle Chinas als Exportmarkt sowie Investitionsstandort und der gleichzeitig verschärfte und oftmals nicht faire Wettbewerb auf den internationalen Märkten.“

Dahingehend soll das neue Investitionsabkommen Verbesserungen bringen. Die drei Kernelemente des CAI sind ein besserer Marktzugang für europäische Unternehmen in China, gleiche Wettbewerbsbedingungen sowie verstärkte Bemühungen Chinas in Sachen Nachhaltigkeit.

„Die EU darf nicht arrogant sein“

Klingt im Wissen um den starken lenkenden Arm der chinesischen Führung fast zu schön, um wahr zu sein. „Natürlich wäre es naiv zu glauben, dass damit alle Probleme verschwinden“, räumt Löwy ein, „aber ohne Vertrag gebe es gar keine Regeln.“ Man dürfe diesbezüglich nicht in alten Denkmustern verharren – das blockiere einen gemeinsamen Weg in die Zukunft: „Das China von heute hat mit dem China von vor 30 Jahren nichts mehr zu tun.“

Als bevölkerungsreichstes Land der Erde mit 1,4 Milliarden Menschen ist China heute eine ökonomische Supermacht – auch wenn es bei der Welthandelsorganisation noch als Entwicklungsland geführt wird.

Flughafen Shanghai
Chinas Wirtschaft ist weiterhin im Steigflug, die „Passagiere“ kommen aus der ganzen Welt. Auch 650 österreichische Unternehmen haben Niederlassungen im Riesenreich.Foto: Adobe Stock | gjp311

Einerseits nimmt Löwy diesbezüglich die EU selbst in die Pflicht. Man dürfe dem Gegenüber „nicht eigene Standards und Meinungen mit einer gewissen Arroganz aufzwingen“. „Wenn es die EU mit ihrem Anspruch auf eine globale Verbesserung ehrlich meint, dann reichen Appelle an die Moral nicht – dann braucht es echte Anreize und die Bereitschaft für einen Dialog.“

Warnung vor einem Placeboeffekt 

Andererseits fordert er von der EU auch Selbstbewusstsein – da ansonsten die Gefahr von reinen Absichtserklärungen, Versprechen und eines Endlosdialogs bestehe. China habe in der Vergangenheit „oft auf Zeit gespielt“, beispielsweise den eigenen Markt erst dann geöffnet, als er stark genug für den internationalen Wettbewerb war. Daher, so Löwy, sei es wichtig, klare Vorgaben und Maßnahmen festzulegen und die Umsetzung der ausverhandelten Punkte auch zu evaluieren. Alles andere hätte nur einen „Placeboeffekt“ (Löwy). 

Zudem brauche es eine adäquate und konkrete Adressierung von Problemfeldern. Als Beispiel nennt der Experte intransparente oder verbotene Subventionen, Genehmigungsverfahren oder Auftragsvergaben. Das Abkommen, dessen Details und rechtlichen Grundlagen noch ausverhandelt werden müssen, sieht vor, dass die existierende Asymmetrie beim Grad der Marktöffnung beseitigt wird. China verpflichtet sich, eine faire Behandlung von EU-Unternehmen zu gewährleisten, damit sie unter besseren Wettbewerbsbedingungen konkurrieren können.

Wird China transparent?

Außerdem bekommen europäische Investoren mit dem Abkommen Zugang zu wichtigen Wirtschaftszweigen, darunter E-Mobility, Cloud-Dienstleistungen, Finanzdienstleistungen und Gesundheitsversorgung. Zudem gibt es neue Vorschriften gegen den Zwangstransfer von Technologie und für eine umfassende Transparenz bei Beihilfen. China hat weiters zugesagt, „dauerhafte und nachhaltige Anstrengungen“ zur Ratifizierung der Konvention der internationalen Arbeitsorganisation Ilo zur Zwangsarbeit zu unternehmen.

Fair ist nicht, was ich für fair halte, sondern das Einhalten von Vorgaben.

Michael Löwy

Wird damit alles gut? Alles besser? Alles fair? Die Frage nach einem „fairen Wettbewerb“ sei differenziert zu betrachten, relativiert Löwy: „Fair ist nicht, was ich für fair halte, sondern das Einhalten von Vorgaben, die ich mit dem anderen ausverhandelt habe.“

Es bleibe daher ein Balanceakt mit dem Risiko für Rückschläge und der Gefahr des Scheiterns, räumt Löwy ein, stellt aber im nächsten Atemzug die Frage nach den Alternativen. „Eine Abschottung wird nicht funktionieren – sie würde Wohlstandsverzicht bedeuten.“ Und ohne Abkommen bräuchte es auch die Kraft starker Sanktionen. Hat Europa die? Deshalb sei das Aufeinanderzugehen der beiden wirtschaftlichen Supermächte so wichtig. Löwy: „Ich kann nicht sagen, ob es ein Erfolg wird, aber vieles spricht dafür.“

Credits Artikelbild: Adobe Stock | Patrick Foto

Das könnte dich auch interessieren

Lichtblick

Dir gefällt, was du hier liest?

Einfach "Fakt & Faktor" als Newsletter abonnieren!

Jetzt abonnieren